„Raumfahrt ist kein Selbstzweck sondern muss einen Mehrwert für die Menschen auf der Erde bieten“

Mit Beginn des Wintersemesters 2014 wurden am Technikcampus Friedrichshafen Friedrichshafen der DHBW Ravensburg die ersten Studienarbeiten zur Entwicklung eines Kleinstsatelliten ausgeschrieben. Die aktuelle Hauptmission ERWIN soll ab 2030 die Detektion von Waldbränden aus dem niedrigen Erdorbit ermöglichen. In den vergangenen zehn Jahren haben viele Studierende aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen mit Unterstützung von Alumni und unter der Anleitung von ehrenamtlichen Expert*innen an Teilaspekten dieses komplexen Unterfangens gearbeitet. Im Sommer 2018 gründete sich aus der Ansammlung von „Space Nerds“ ein Verein zur Stärkung der Initiative. Mittlerweile ist der SeeSat e.V. Projektträger von ERWIN und eine Keimzelle innovativer Entwicklungsarbeiten in der angewandten Raumfahrttechnik. Von Beginn an mit dabei war Dennis D´Argento – damals als Studierender, dann als Betreuer und heute als Vorstandsmitglied im Verein. Er arbeitet als Testingenieur bei Airbus Defence & Space ebenfalls „Hands-On“ an den berühmteren Satelliten des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus.

Für die Mission ERWIN braucht es einen langen Atem – aber SeeSat hat sich in seinen zehn Jahren ja prächtig entwickelt, oder?

Ja, das stimmt. Angefangen hat es als studentisches Projekt vorrangig bei den Luft- und Raumfahrttechnikern sowie den Studierenden aus der Nachrichtentechnik. Heute sind nahezu alle Studiengänge am Technikcampus mit Studienarbeiten oder als Freizeitbeschäftigung an der Entwicklung des Satelliten beteiligt. Auf den Kommunikationskanälen tummeln sich zurzeit um die 130 Personen. Vor fünf Jahren haben wir zudem den Verein SeeSat gegründet, der mittlerweile rund 40 Mitglieder zählt. Es freut mich besonders, dass wir vermehrt junge Mitglieder gewinnen können, die noch während ihres Studiums an der DHBW zu uns stoßen. Nur durch den permanenten Austausch von Wissen und Blickwinkeln zwischen den „alten Hasen“ und den angehenden Ingenieur*innen ist die Erreichung der Ziele nachhaltig realisierbar.

Was ist Ihre Mission?

An erster Stelle steht im Verein die Bildung und die Vermittlung von Wissen im Bereich der Raumfahrt. Auch wenn die Entwicklung eines Satelliten eine große technische Herausforderung ist, muss immer der Nutzen im Auge behalten werden. Raumfahrt ist kein Selbstzweck sondern muss einen Mehrwert für die Menschen auf der Erde bieten. Auch wir wollen einen sinnvollen Satelliten ins All bringen. ERWIN soll für die Erkennung von Wald- und Buschbränden optimiert werden.

Wie sieht die zeitliche Schiene aus?

Tatsächlich startet die Reise ins All bereits im kommenden Jahr. Wir haben die Möglichkeit mit einer Mitfluggelegenheit eine einzelne Platine ins All zu schicken. Mit dieser wollen wir vorab schon die Kernkomponenten unseres Spannungsversorgungssystems testen und für den Orbit Strahlungswerte messen. Unsere Hauptmission ERWIN, als kompletter Satellit, braucht noch ein paar Jahre. Ziel wäre ein Start etwa 2030.

Sie sind seit zehn Jahren bei SeeSat mit dabei. Was macht für Sie den Reiz an dem Projekt aus?

Die Arbeit beim SeeSat bietet eine willkommene Abwechslung zum Arbeitsalltag im Konzern und immer wieder Gelegenheit etwas Neues zu lernen. Es herrscht schon fast eine Start-up-Mentalität. Es ist ein tolles Hobby, das mit der einen oder anderen kollektiven Nachtschicht verbunden ist. Unser Budget für Pizza war schon immer recht hoch. Ich denke es ist die Kombination aus toller Teamarbeit und anspruchsvoller Technik, die mich und viele bei SeeSat antreibt.

Wie geht es mit dem Verein weiter?

Bisher arbeiten alle ehrenamtlich über den Verein mit. Mit der Vielzahl an Projekten und der steigenden Mitgliederzahl steigt auch der Aufwand für die Koordination der Aktivitäten. So sind wir inzwischen auch eingebunden in ein internationales Forschungsprojekt mit der Universite Abdelmalek Essaâdi in Tangier. Mittelfristig ist es das Ziel auch Vollzeitstellen wie zum Beispiel Masterarbeiten und Promotionen bei SeeSat zu ermöglichen. Um das zu erreichen, brauchen wir auch in der Verwaltung mehr Kapazitäten. Wir entwickeln uns ständig weiter. Es bleibt spannend!