Algorithmen als moderne Kochrezepte für die Entscheidungsfindung
Bei der 5. Jahrestagung des Zentrums für empirische Kommunikationsforschung (ZEK) an der DHBW Ravensburg drehte sich alles um das Thema Künstliche Intelligenz sowie die hieraus resultierenden Perspektiven für Wirtschaft, Medien und Gesellschaft.
„Algorithmen sind die modernen Kochrezepte für die Entscheidungsfindung“, meinte Peter Hense, Head of Digital Business Law, Spirit Legal LLP Rechtsanwälte, in seiner Keynote bei der Tagung. Unser modernes Leben ist abhängig von Algorithmen, ohne dass uns dies immer bewusst ist. Die Einsatzgebiete von Algorithmen sind vielfältig: Im Navi zeigen sie uns den kürzesten Weg, schlagen uns als Computergegner im Schach oder erkennen Gesichter und Emotionen. Die Basis sind viele, viele Daten, die wir leicht, ob bewusst oder unbewusst, und ständig weitergeben. Alexa sammelt sie genauso wie smartes Spielzeug.
Warum dieses Datensammeln? „Wer mehr weiß, verkauft besser“, bringt es Peter Hense auf den Punkt. Dynamic Pricing ist ein weiteres Beispiel für Künstliche Intelligenz: Wer vor einer Boutique von Chanel steht, hat potenziell Geld und bekommt damit im Internet Produkte teurer angeboten – gleiches gilt, wenn der Akku am Handy schwach wird, denn dann steigt die Bereitschaft zum schnellen Kaufabschluss. Viele kennen solche Situationen, ohne diese kritisch zu hinterfragen. Peter Hense erklärt sich das so: „Wir Menschen verzehren uns ganz einfach nach Innovation.“ Die Kanzlei von Hense ist auf Fälle an der Schnittstelle von Technologie und Gesellschaft spezialisiert. Regeln, so denkt er, werden zwar kommen, aber definitiv „zu spät“. Er zitiert Kate Crawford, Chefforscherin bei Microsoft: „Artificial Intelligence is ripe for abuse.“
Im Medienbereich ist der Begriff des „Roboterjournalismus“ im Zusammenhang mit KI seit einiger Zeit allgegenwärtig. Oft wird er gleichgesetzt mit der Zukunft des Journalismus. Manche Beobachter sehen darin eine Bedrohung für den Redakteursberuf, andere betonen die Arbeitserleichterung durch die Computer. Der österreichische Medienwissenschaftler Dr. Stefan Weber von der Universität Wien erläuterte in seinem Vortrag, dass in Deutschland Wetter-, Stau-, Finanz- und Fußballberichte bereits heute schon regelmäßig automatisiert generiert werden. Im internationalen Vergleich, insbesondere in den USA, gehen die Entwicklungen schon deutlich weiter, so probiert man beispielsweise, den Maschinen für ihren Schreibstil Ironie beizubringen.
Julia Görnandt, Country Manager SKIM Germany, ging der Frage nach, ob, wie und wann qualitative Marktforschung automatisiert werden kann. Ihr Institut hat bei einer Video-Analyse mit über 100 Konsumentenvideos den praktischen Vergleich gemacht – ein Team arbeitete mit automatisierter Unterstützung, das andere ohne. Das Fazit: Den Kunden überzeugte die Mensch-Maschine-Kombination. Die Schlüsse zu ziehen und einen strategischen Bericht zu formulieren, nimmt die Maschine dem Menschen jedoch nicht ab.
Prof. Dr. Simon Ottler stellt bei der Tagung auch die aktuellen Ergebnisse seiner ZEK-Studie zum autonomen Fahren vor. Es ist die inzwischen siebte Befragungswelle zum Thema Mobilität. Ein wesentliches Ergebnis ist, dass die Akzeptanz für das autonome Fahren derzeit steigt. David Pietsch vom IWT Wirtschaft und Technik ging anschließend auf das Testfeld für automatisiertes Fahren ein, das in Friedrichshafen gemeinsam mit der ZF Friedrichshafen AG, mit der Stadt und dem IWT verwirklicht wird. Bei einem Couchgespräch ging es abschließend um Fluch und Segen des autonomen Fahrens. Viele Dinge sind noch nicht geregelt – etwa wem die gesammelten Daten gehören, wer bei einem Unfall strafrechtlich haftet und einiges mehr.
Fluch oder Segen moderner Technik also? Peter Hense sieht es pragmatisch. „Überall wo Technologie eingesetzt wird, fallen eben Späne.“ Viele Regeln entstehen neu, alles im Vorfeld regeln lässt sich jedoch kaum.
Federführend organisiert wurde die Tagung von Prof. Dr. Simon Ottler, Leiter des ZEK, sowie von Prof. Dr. Simone Besemer, Studiengangsleiterin BWL – Medien- und Kommunikationswirtschaft, unterstützt wurden sie von René Resch, Akademischer Mitarbeiter am ZEK, und Katrin Stadler, Studienreferentin der DHBW.