„Wir müssen neue Dinge tun, die wir bisher noch nicht getan haben“
Die digitale Transformation stellt für alle Branchen eine große Herausforderung dar. Die Technik ist dabei aber nur das eine. Mindestens ebenso gefordert sind die Unternehmen beim Kreieren neuer Geschäftsmodelle, bei ihrem Verständnis von Risiko oder ihrem Verhältnis zu Mitarbeitern und Kunden. Das machte das Auftaktsymposium des neu gegründeten Zentrums für Digitale Innovationen (ZDI) an der DHBW Ravensburg deutlich. Die Referenten unterschiedlicher Branchen berichteten dabei über ihre Erfahrungen.
Keynote-Speaker Dr. Peter Weckesser ist Digital Transformation Officer bei Airbus Defence & Space. Er betrachtet die digitale Transformation in seinem Unternehmen aus mehreren Perspektiven. Die Digitalisierung hilft beispielsweise bei der Entwicklung und Optimierung der Modellpalette. Hier entsteht von einem Produkt zuerst ein digitaler Zwilling, der in einer Rechnungssimulation vorentwickelt wird. Erst von einem fertigen Produkt werden dann reale Prototypen erstellt. Digitalisierung bedeutet aber auch, dass die ausgelieferten Modelle jede Menge Daten einsammeln, die dann für die Wartung und Weiterentwicklung rückgespiegelt werden. So weit so gut. „Wir müssen aber auch Dinge tun, die wir bisher noch nicht getan haben. Und da müssen wir bereit für das Risiko sein“, so Weckesser. Elon Musk zum Beispiel macht Airbus Konkurrenz und bringt mit seiner Firma SpaceX wie die Ariane Nutzlasten ins All – jedoch mit wiederverwendbaren Raketen. Für Airbus ein Signal neu zu denken – in neuen kommerziellen Geschäftsfeldern. Ein Beispiel: Der Luft- und Raumfahrtkonzern hat inzwischen sein Spacetech-Startup Up42 in Berlin gelauncht. Es verkauft hochauflösende Satellitenbilder sowie die Software, um die Bilder auszuwerten.
Kommt da der Mittelstand überhaupt noch hinterher? Kanzlerin Angela Merkel ist da skeptisch. Nicht so Dr. Valentin Langen, Managing Director von Ioniq Skincare, einem Startup des Maschinenbauers Wagner in Markdorf. Langen ist sich sicher, dass Mittelständler über das nötige Know-how verfügen und mit Mut zum Unternehmertum die Digitalisierung meistern werden. Bei dem Beschichtungsspezialisten Wagner waren einige Mitarbeiter überzeugt davon, auch die Haut optimal mit Sonnencreme „beschichten“ zu können. Aus dieser Idee entstand ein neuartiges Gerät inklusive eigen entwickelter Sonnencreme, mit der sich die Haut lückenlos eincremen lässt – inklusive App. Das Startup hat inzwischen den renommierten Digital Champions Award gewonnen. Die Geschichte zeigt, was auch bei einem Mittelständler aus dem Maschinenbau möglich ist. Gute Voraussetzung laut Langen war zudem ein CEO mit Mut zum Risiko, der hinter dem Projekt steht – „denn vieles geht nur, wenn Sie sich nicht immer an die Regeln halten“.
Dr. Björn Goerke ist CEO und Co-Gründer von Gpredictive. Das gleichnamige Produkt ist eine Software, die Kundenverhalten voraussagt, um Kundeninteraktionen zu planen und Budgets gezielt einzusetzen. Lernen mussten die Gründer, dass die Software alleine den Firmen nur mäßigen Erfolg beschert. „Genauso wichtig sind Strategie und Organisation“, so Goerke. Was er sich wünscht: „Wir brauchen mehr und gezielte Ausbildung im Bereich Data Science.“
Über Anwendungen von Künstlicher Intelligenz in der Finanzbranche sprach Daniel Betsche, Innovationsmanager bei Fiducia & GAD IT, dem Rechenzentrum für die genossenschaftlichen Banken. Er zeigte auf, welche Möglichkeiten Chatbots, eine Banking-App mit Spracherkennung oder Lösungen zur Abwehr von Cyberkriminalität für die Finanzbranche bieten. Die Fiducia hat eine Menge digitaler Pfeile im Köcher, die nach und nach in den Banken vor Ort ankommen werden.
Das Symposium an der DHBW Ravensburg war eine Art Marktplatz für digitale Ideen und Konzepte sowie für Menschen und Unternehmen, die sich der Herausforderung stellen. Eine Plattform dazu bietet nun auch die DHBW Ravensburg mit ihrem Zentrum für Digitale Innovationen. Das ZDI stellt Innovationen basierend auf Methoden der Künstlichen Intelligenz und Data Science sowie deren Umsetzung in digitale Geschäftsmodelle in den Mittelpunkt. Initiatoren sind die Professoren Dr. Stephan Daurer (Wirtschaftsinformatik-Data Science), Dr. Gerhard Hellstern (BWL-Bank) sowie Dr. Petra Radke (BWL-Medien- und Kommunikationswirtschaft).
Durch das Programm des Symposiums führte Dr. Florian Kumb, Alumnus der DHBW Ravensburg, inzwischen Chef vom Dienst in der ZDF-Programmredaktion.