„Ich mag den schwäbischen Lifestyle“
Juliette Wangalachi kommt ursprünglich aus Kenia und studiert nun in Ravensburg im ersten Semester BWL – Messe-, Kongress- und Eventmanagement. Die 21-jährige vermisst zwar manchmal die afrikanische Entspanntheit, aber die schwäbische Mentalität kann da auch ganz gut mithalten.
"Ich bin in Kenia geboren und aufgewachsen. Weil ich als Kind in der Schule in Kenia etwas unterfordert war und ziemlich viel Blödsinn gemacht habe – auch wenn ich keine Einser-Schülerin oder -Studentin war und bin – hat meine Mutter vorgeschlagen, ich könnte mich doch auf ein Stipendium bei der deutschen Schule in Nairobi bewerben. Ich war elf und hatte nicht viele Möglichkeiten zu widersprechen, also habe ich den Aufnahmetest gemacht und wurde angenommen. Es war aber immer noch schwierig, denn es gab auch unter dem Schuljahr sehr strenge Regeln, um an der Schule bleiben zu können. Von hundert Bewerbern blieben nur noch fünf übrig, in meiner Klasse war ich die einzige Kenianerin. Ich habe also Deutsch gelernt und das internationale deutsche Abitur gemacht. Studieren wollte ich eigentlich gar nicht, sondern eine Ausbildung machen und das aber schon in Deutschland, sonst hätte das alles ja nichts gebracht. Eine Stelle in Stuttgart habe ich dann auch gefunden, aber wegen Missverständnissen mit der Ausländerbehörde konnte ich die leider nicht antreten. Ich bin dann wieder zurück nach Kenia, um mich von dort aus neu zu orientieren. Ich wollte immer nach Baden-Württemberg, weil mir der schwäbische Lifestyle und vor allem auch die schwäbische Küche sehr gut gefällt, das habe ich bei einer Studienfahrt mit der Schule schon gemerkt. Außerdem sind viele Leute meiner alten Schule auch in Stuttgart gelandet. Ich habe dann an der Uni Hohenheim angefangen zu studieren, das war mir aber zu theoretisch, denn ich wollte lieber etwas Interaktives machen. Also habe ich nochmal überlegt, wie es weitergehen kann und bin auf die DHBW gekommen. Ich organisiere gerne, das habe ich schon in der Schule gemacht, wo ich Veranstaltungen auf die Beine gestellt habe. Da passt mein jetziger Studiengang Messe-, Kongress- und Eventmanagement perfekt. Mein Arbeitgeber ist die RAM Regio Ausstellungs GmbH, die sitzen zwar in Erfurt und nicht in Baden-Württemberg, aber als ich mir das angeschaut habe, fand ich es dann doch super. Vor allem, weil ich mich dort gleich wohlgefühlt habe und ich immer zu einem kleinen Unternehmen wollte, wo man alle kennt – das ist hier ideal mit den elf Mitarbeitern.
Meine Mutter kommt aus Uganda, so richtig viel Suahili haben wir deshalb zu Hause auch nicht gesprochen, wir haben uns eigentlich immer auf Englisch unterhalten. Deutsch sprechen ist für mich schon anstrengend, auch wenn man das nicht hört. Ich überlege viel, ob das jetzt das richtige Verb und die richtige Form ist. Ich bin ganz froh, wenn ich ab und zu Englisch sprechen kann, da muss ich nicht überlegen. Und mein Vater sagt immer, je länger ich weg bin, desto besser wird mein Suahili – vielleicht, weil ich mich noch mehr anstrenge, um es nicht zu verlernen. Seit ich hier bin, war ich auch erst zweimal zu Hause bei meiner Familie in Kenia, das fehlt mir schon. Die Leute hier haben eine andere Mentalität, aber wenn ich ein bisschen kenianische Gelassenheit erleben will, dann treffe ich mich einfach mit den Leuten, die mit mir auf die deutsche Schule gegangen und jetzt auch hier in Baden-Württemberg sind. Aber wenn man mich so fragt, könnte ich gar nicht sagen, was eigentlich mein ‚Zuhause‘ ist. Ich könnte mir auf jeden Fall vorstellen, auch nach meinem Studium in Deutschland zu bleiben."
40 Jahre // 40 Gesichter. Weitere Portraits gibt es auf der Sonderseite zum 40-jährigen Jubiläum.