Referent beleuchtet Gefahren der derzeitigen Geldpolitik im Eurosystem
Auf „Die aktuelle Geldpolitik des Eurosystems“ und die daraus resultierenden Probleme ging Jürgen Hirsch, Direktor in der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Stuttgart, in seinem Vortrag vor Studierenden und Dozenten des Studiengangs BWL-Bank ein. Unterlegt mit einer Vielzahl an Charts zu den Entwicklungen der für die Geldpolitik relevanten makroökonomischen Daten, wies der Bundesbankvertreter deutlich auf die Probleme und Gefahren der derzeitigen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hin.
Zu Beginn seines Vortrags stellte Jürgen Hirsch dar, dass die Zunahme der weltweiten Entwicklung der Staatsverschuldung in den letzten zehn Jahren nur mit den Entwicklungen in den beiden Zeiträumen kurz, vor und während der beiden Weltkriege zu vergleichen ist. Er wies darauf hin, dass die „Tilgung“ der Staatsverschuldung in diesen beiden historischen Vergleichen – neben den hohen Wachstumsraten, die mit dem Wiederaufbau nach den Zerstörungen der Kriege einhergingen – durch vollständige Geldentwertungen erfolgte.
Anhand diverser Zeitreihen wurde aufgezeigt, dass die notwendigen Korrekturen durch Strukturreformen in den Krisenländern lediglich in Irland erfolgt sind. Mit Ausnahme Irlands und Spaniens wurden die wirtschaftlich notwendigen Maßnahmen viel zu spät, beziehungsweise im Fall Griechenland überhaupt nicht angegangen. Es könne daher überhaupt keine Rede davon sein, dass die Krise überwunden ist.
Bei den Maßnahmen der Europäischen Zentralbank kritisierte der Vertreter der Deutschen Bundesbank das Herabsetzen der Bonitätsanforderungen an die als Sicherheit für Kredite an Geschäftsbanken von der Zentralbank akzeptierten Staatsanleihen. Er kritisierte in diesem Zusammenhang, dass die Europäische Zentralbank ohne demokratische Legitimation die staatliche Kreditaufnahme finanziere.
Jürgen Hirsch erklärte, was man in der Volkswirtschaftstheorie unter „Deflation“ versteht, nämlich einen sich kumulierenden wirtschaftlichen Abwärtsprozess, in dem sich Nachfragerückgang, sinkende Preise und Löhne sowie zunehmende Arbeitslosigkeit gegenseitig verstärken. Eine solche Entwicklung gibt es im Eurogebiet nicht. Nicht einmal in den Krisenländern könne man von einer deflationären Entwicklung sprechen. Dementsprechend hält der Referent auch die extrem expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank für verfehlt und gefährlich. Die durch diese Geldpolitik hervorgerufene Gefahr so genannter Preisblasen zeigt sich an verschiedenen Märkten, sehr deutlich etwa am Markt für Anleihen. Damit werde die Grundlage für das Entstehen weiterer Finanzmarktkrisen gelegt.
Da es ohnehin klar sei, dass Griechenland seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen werde, sei es sinnvoll, diese Forderungen abzuschreiben. Im deutschen Bundeshaushalt würden dadurch künftig jährliche Mindereinnahmen von fünf bis zehn Milliarden Euro verursacht.
Jürgen Hirsch hob hervor, dass die Strategie der Politik, „Zeit zu gewinnen“, sinnvoll sein könne, dies allerdings nur, wenn die zusätzliche Zeit auch für sinnvolle Maßnahme genutzt werde. Es gebe in der aktuellen Situation keinen Grund für ökonomische Katastrophen-Szenarien. Da Geldpolitik kein Ersatz für strukturelle Reformen sein könne, würden aber die Probleme der Krisenländer durch weiteres Abwarten nur größer. Abwarten ohne geeignete Maßnahmen zu ergreifen, würde auch die Kosten für den deutschen Staatshaushalt erhöhen.