„Es herrscht Frust und Unsicherheit, die Gesellschaft zerfällt“
Herr Fuchs, Sie waren in den vergangenen Monaten mehrmals in der Ukraine und in Georgien. Über ein Tempus-Projekt der EU teilen mehrere Hochschulen ihr touristisches Know-how zum Kreuzfahrtourismus mit diesen Ländern? Wie läuft es derzeit?
Holprig, was natürlich vor allem der politischen Lage geschuldet ist. In Georgien schwelt zum Beispiel der Konflikt um die umstrittene Region Ossetien. In der Ukraine scheint die Lage derzeit etwas ruhiger, in der Tagespresse ist zu lesen, dass russisches Militär in Richtung Syrien abgezogen wird. Gleichzeitig gibt es aber Straßensperren und am Flughafen Kherson, einem wichtigen Stützpunkt für den Tourismus am Schwarzen Meer, stehen Militärhubschrauber.
Was genau haben Sie im Rahmen des Tempus-Projekts vor Ort gemacht?
Natalie Balch, ebenfalls vom Studiengang Hotel- und Gastronomiemanagement, und ich waren mit den anderen Projektteilnehmern in Georgien in Tiflis, Batumi und in Kutaisi sowie in der Ukraine in Odessa und Kherson. Wir haben dort eine Summer University abgehalten, Forschungsprojekte begleitet und Workshops für Dozenten, Studenten und Praktiker abgehalten. Inhaltlich liegt unser Schwerpunkt momentan auf der Servicekultur und -qualität. Andere Partner haben sich auf Kreuzfahrtschiffe und –häfen oder auf Destinationsmanagement konzentriert.
Sind diese Länder eine Reise wert? Und wie sieht die Lage im Tourismus dort derzeit aus?
Auf jeden Fall. Odessa etwa ist im Kern atemberaubend schön. Tiflis genauso, in Georgien kann man auch wunderbar wandern. Der Kreuzfahrttourismus in der Ukraine ist nun allerdings komplett eingebrochen. Städte wie Odessa rettet ein wenig, dass sie nun mehr Touristen aus dem Inland haben, die aus finanziellen Gründen nicht mehr ins Ausland reisen können. Kann man sich bei uns auf gute Strukturen im Tourismus verlassen, dann muss man sich von denen in diesen Ländern verabschieden. Ein Beispiel ist die Datenlage. Die existiert dort einfach nicht – eine Touristinformation in Odessa hat nur bedingt Daten über die Hotelbelegung in der Stadt. Auch dies sind Themen, mit denen wir uns in dem Tempus-Projekt auseinandersetzen.
Wie ist die Stimmung unter den Menschen, wie Sie sie etwa bei ihrem letzten Aufenthalt in der Ukraine erlebt haben?
Es herrscht zwar wieder ein wenig Hoffnung, vor allem in Odessa hatte man vor dem Vormarsch der Russen gebangt. Es herrscht tiefer Frust mit einer Wirtschaft, die am Boden liegt. Was man ebenso deutlich heraushören kann ist, dass die Gesellschaft zerfällt. Da ist etwa der Akademiker, der für 100 Euro in der Bank arbeitet und es kaum über die Runden schafft. Und auf der anderen Seite fließt in Fischrestaurants in Odessa der Krimsekt und die Audi Q7 stehen vor der Tür. Seit Kurzem ist Micheil Saakaschwili, ehemaliger georgischer Präsident, Gouverneur von Odessa – er hat der Korruption zumindest einmal den Kampf angesagt, mit der Hilfe von US-Beratern und Vertretern der russischen Opposition.